Infame Perspektiven

Was fasziniert Leser an Erzählungen aus der Sicht von Mördern, Gewalttätern oder Kriegsverbrechern? Verkauft sich eine Zeitung besser, wenn sie mit einer grausamen Gewalttat titeln kann? Gilt: je abstoßender desto anziehender?

Wir lesen von uns unbekannten Perversionen und empfinden Abscheu, Ekel oder Scham und wollen uns daher distanzieren. Warum fasziniert die Einnahme bösartiger, verbrecherischer, ekliger oder schambesetzter Perspektiven in Literatur, Theater, Kino und Computerspielen? Mit welchen Motiven und Strategien geschieht dies jeweils? Und wie gelingt der Ausstieg?

Im Rahmen von Infame Perspektiven haben wir diese Perspektivübernahmen untersucht. Sie reichen vom bloßen Wissen um eine andere Weltsicht über Verständnis, Einfühlung bis hin zu Sympathie oder Identifikation. Bieten diese Perspektivübernahmen auch einen Sinn und Wert für den gesellschaftlichen Umgang, beispielsweise mit extremen Gewalttaten? Können sie gar zur Prävention beitragen?

INFAME PERSPEKTIVEN // Publikation

Infame Perspektiven – Grenzen und Möglichkeiten von Performativität und Imagination
herausgegeben von Julian Klein, Martin von Koppenfels, Marion Hirte und Thomas Jacobsen
Verlag Theater der Zeit, Berlin 2015
ISBN 978-3-95749-030-8
darin:
Julian Klein, Martin von Koppenfels, Marion Hirte und Thomas Jacobsen Vorbemerkung: Perspektive als Skandal
Heike Catherina Mertens Vom Blick in den Abgrund
Martin von Koppenfels Infame Erzähler, unmögliche Stimmen
Hans-Christian von Herrmann Nachtgestalten
Harald Dern Infame Perspektiven – zum Umgang mit dem Bösen
Thomas-Michael Seibert Zuschreibung – die Feststellung der Infamie im Gerichtssaal
Aage A. Hansen-Löve Der Autor als Täter – Hiobsbotschaften
Christina Röfer Harmlose Vorstellung? Eva Meyer-Kellers Inszenierung Death is certain als infames Wechselspiel der Wahrnehmung
Julian Klein, Thomas Jacobsen und Marion Hirte Infame Perspektiven – Das Experiment
Hans-Ludwig Kröber „Solche Prozesse laufen eher ruhig, still und relativ problemlos ab“
Judith Kuckart Noli me tangere
John von Düffel „Wer spricht da eigentlich?“
Thomas Fischer Infame Perspektiven – Fragen in einem Erlebnisbericht

 

INFAME PERSPEKTIVEN // Experiment

In einem Hotelzimmer im belgischen Aalst ermordete 1999 ein Elternpaar seine beiden Kinder. Vor Gericht sagten sie: „Wir wollten nur das Beste für sie.“ Beide wurden für schuldfähig erklärt und zu lebenslanger Haft verurteilt.

Ist es möglich, sich in die Innenwelt solch extremer Figuren zu versetzen? Im Rahmen eines Experimentes hatten die Besucher die Möglichkeit einen Selbstversuch zu unternehmen. Sie sprachen die Rollen der Eltern aus dem Prozess, aufgezeichnet in dem Drama Aalst von Pol Heyvaert und Dimitri Verhulst.

 

 

INFAME PERSPEKTIVEN // Aufführung und Symposion
Ein öffentliches Symposion im Oktober 2013 mit Vertretern von Berufsgruppen, die sich infame Perspektiven professionell erschließen müssen: Juristen, Psychiater, Kriminologen, Schriftsteller und Schauspieler, Literatur- und Kunstwissenschaftler nutzen jeweils unterschiedliche Strategien, um die Subjekte solcher Perspektiven zu verurteilen, zu therapieren, zu beschreiben, darzustellen oder schlicht zu verstehen.

DONNERSTAG, 24.10.2013
ab 14:00 Uhr, letzter Einlass 18:00 Uhr Infame Perspektiven / Das Experiment
20:30 Infame Perspektiven / Die Aufführung zu Gast: Aelrun Goette (Regie)

FREITAG, 25.10.2013
ab 10:00 Uhr, letzter Einlass 17:30 Uhr Infame Perspektiven / Das Experiment

14:00 Begrüßung Julian Klein – anschließend: Geleitwort zum Wissen in der Kunst, Heike Catherina Mertens (Schering Stiftung)
14:15 Shame on me. die Infamie der Perspektive, Martin von Koppenfels (Literaturwissenschaft, LMU München)
15:00 Die Sprache der Infamie. zu Theorie und Geschichte der Ehrlosigkeit in Recht und Literatur, Achim Geisenhanslüke (Germanistik, Universität Regensburg)
15:45 Pause
16:15 Literarische Hinrichtungen:  Puschkin – Dostojevskij – Nabokov, Aage Hansen-Löve (Slawistik, LMU München)
17:00 Im Stein – Lesung und Gespräch mit dem Autor Clemens Meyer.
18:00 Podium I: Fiktion, Imagination und Einfühlung mit Jens Roselt (Theaterwissenschaft, Universität Hildesheim), Hans-Ludwig Kröber (Institut für Forensische Psychiatrie, Charité Berlin), Clemens Meyer (Autor), Aage Hansen-Löve (Slawistik, LMU München), Arndt Schwering-Sohnrey (Schauspieler)
20:30 Infame Perspektiven / Die Aufführung zu Gast: Hans-Ludwig Kröber (Institut für Forensische
Psychiatrie, Charité Berlin)

SAMSTAG, 26.10.2013
ab 10:00 Uhr, letzter Einlass 17:30 Uhr Infame Perspektiven / Das Experiment

10:00 Ego-Shooter – Infame Perspektiven im Computerspiel Hans-Christian von Herrmann (Literaturwissenschaft, TU Berlin)
11:00 Podium II: Täterperspektiven mit Hans-Christian von Herrmann, Harald Dern (Operative Fallanalyse, BKA Wiesbaden), Gisela Friedrichsen (Gerichtsreporterin, Der Spiegel)
12:30 Pause
14:00 Monströse Einlassungen (Eichmann, Mulka, Barbie u.a.), Thomas Michael Seibert (Rechtstheorie und –semiotik, Goethe-Universität Frankfurt am Main)
14:45 Podium III: Rekonstruktion und Bewertung mit Thomas Michael Seibert, Thomas Fischer (Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof), Reinhard Haller (Psychiater und Gerichtsgutachter, Krankenhaus Maria Ebene)
16:15 Der Kick – ein Film von Andres Veiel nach gleichnamigem Stück von Andres Veiel und Gesine Schmidt. Anschließendes Gespräch mit dem Regisseur Andres Veiel
18:00 Podium IV: Technik und Faszination der Täterperspektive? mit Andres Veiel (Regie), Matthias Warstat (Theaterwissenschaft, FU Berlin), Adelheid Kastner (Forensische Psychiatrie, Nervenklinik Linz)
20:30 Infame Perspektiven / Die Aufführung zu Gast: Thomas Fischer (Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof)

SONNTAG, 27.10.2013
ab 10:00 Uhr Infame Perspektiven / Das Experiment

10:00 Inszenierungen des Tötens -Jens Roselt und Christina Röfer (Universität Hildesheim)
11:00 Unter dem Eis – ein Film von Aelrun Goette.
Anschließendes Gespräch mit der Hauptdarstellerin Bibiana Beglau
13:00 Podium V: Inszenierung infamer Perspektiven Abschlussgespräch mit Gästen des Symposions

Exposé zu INFAME PERSPEKTIVEN // Das Symposion

Künstlerische Leitung Julian Klein Dramaturgie Marion Hirte Video Daniel Kötter Bühnenbild Rob Feigel Künstlerische Mitarbeit Nina Claassen, Matthias Neukirch, Arndt Schwering-Sohnrey, Claudia Wiedemer, Monika Wiedemer Künstlerische Mitwirkung Rosemarie Dorsch-Jäger, Friedhelm Bartsch, Jan Bünnemeyer, Judith Kuckart, Angelika Peck, John von Düffel Wissenschaftliche Leitung und Konzept Martin von Koppenfels, Ricarda Schubotz, Julian Klein, Julia Fischer, Thomas Jacobsen Wissenschaftliche Mitarbeit Rebecca Jürgens Assistenz Anne-Marie Franz, Katharina Haverich Hospitanz Riccarda de Vico Produktionsleitung Andreas Seyffert Öffentlichkeitsarbeit DON Brandproduction

Eine Produktion von Institut für künstlerische Forschung und der Gruppe a rose is in Zusammenarbeit mit den Sophiensælen. Gefördert aus Mitteln des Hauptstadtkulturfonds, der Schering Stiftung und der Rudolf Augstein Stiftung. Mit freundlicher Unterstützung der Uferstudios. Medienpartner: taz. Die Tageszeitung.